Eine imaginäre Welt, die sich immer wieder neu und anders mit der Realität abgleicht: So ließe sich in Kurzform der inhaltliche Kompass von Vundabar beschreiben. Das Trio aus Boston/Massachusetts rund um den Sänger, Gitarristen und Songwriter Brandon Hagen hat sich bei diesen spannenden Exkursionen in die Welten zwischen Wahrhaftigkeit und Wahrnehmung ausschließlich auf sich selbst verlassen. Alle fünf Alben, die seit der Bandgründung im Jahr 2013 erschienen sind, veröffentlichten Vundabar auf ihrem eigenen Label Gawk Records, bis auf wechselnde Tontechniker erledigten sie auch stets die Produktion ihrer Alben selber. Auf jenen findet sich eine stets die jeweiligen Songinhalte flankierende Mischung aus Indie- und Art-Rock, Postpunk und Surf, immer verwoben mit einem delikaten Gefühl für transzendente Pop-Momente. Ihr am 15. April erschienenes, fünftes Album „Devil for the Fire“ bietet nun ihr offenstes Repertoire an klanglichem Abwechslungsreichtum und stellt ebenso die zartesten wie auch brachialsten Songs ihrer Karriere vor. Im Zuge dieses Album kommt die Band im Spätherbst dieses Jahres auch nach Europa und wird zwischen dem 1. und 3. November auch drei Deutschland-Shows in Hamburg, Berlin und Köln spielen.
Fragt man Brandon Hagen nach dem Hintergrund, warum er bereits als Teenager ein geradezu überbordendes Talent besaß, in seiner Wahrnehmung der Welt zwischen Realität und Fantasie zu oszillieren, verweist er auf seinen Fußknöchel. Von Geburt an weist dieser eine seltene Deformation auf, die ihm als Kind und junger Teenager viel Spott und Häme von Gleichaltrigen einbrachte. Um mit diesen Reaktionen besser leben zu können, erfand er immer neue Geschichten, wie es zu dieser Besonderheit kam: Mal bezeichnete er sie als eine Verletzung infolge einer Heldentat, bei der er Kinder aus einem brennenden Haus rettete, dann wieder war sie das Überbleibsel eines Kampfes um Leben und Tod mit einer Anakonda. All diese Geschichten bewiesen ihm vor allem eins: Die Welt ist niemals nur das, was man sieht – sie kann und wird immer so viel mehr sein.
Als er sodann mit 15, 16 Jahren begann, sich ernsthafter mit dem Schreiben von Songs auseinander zu setzen, nutzte er diese Erfahrung, um seiner Fantasie freien Lauf zu lassen bei der Ergründung und Beschreibung von tatsächlichen Ereignissen. Wo seine ersten Songs – gesammelt auf den beiden Alben „Antics“ (2013) und „Gawk“ (2015) – infolge der typischen Selbstreflexion eines Teenagers inhaltlich noch stark egozentriert ausfielen und sich mit Teenage Angst, der Definition der eigenen Persönlichkeit und dem Verorten in der (post)modernen Welt beschäftigten, wurden seine Texte von Album zu Album universeller. So rückte „Smell Smoke“ (2018) eine fiktive Geschichte in den Mittelpunkt, die erzählt, wie nahezu unmöglich es ist, eine ernsthaft erkrankte Person ohne bemerkenswerten Reichtum im US-amerikanischen Gesundheitswesen genesen zu lassen. Während sich hinter „Either Light“ (2020) eine lyrische Meditation über den Tod sowie die psychischen und sozialen Folgen der Hinterbliebenen verbarg.
Das aktuelle Album „Devil for the Fire“ erweist sich nun als noch einmal erweiterter Blick auf das große Ganze, auf die Grenzen zwischen Realität und Virtualität, Wahrnehmung und Tatsachen, die Kraft der Zerstörung und die Macht von zwischenmenschlichen Emotionen. Analog zu der Gewaltigkeit dieser Themen fällt auch die Musik, die Hagen gemeinsam mit Bassist Zack Abramo und Schlagzeuger Drew McDonald performt, äußerst facettenreich und heterogen aus. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit Realität und Virtualität erwies sich nun unlängst als „self-fulfilling prophecy“: Denn die Band, die bislang vor allem in gut informierten Indiekreisen ein Begriff war, durfte sprachlos dabei zuschauen, wie sich „Alien Blues“, ein Song ihres zweiten Albums „Gawk“, wie durch Zauberhand zu einem viralen Hit von seltener Durchschlagskraft entwickelte. Innerhalb weniger Wochen wurden Tausende von Song-Adaptionen auf TikTok hochgeladen, allein auf Spotify verzeichnet er über 150 Millionen und plattformübergreifend mittlerweile annähernd eine halbe Million Streams. So verhilft Vundabar die Virtualität aktuell dabei, auch in der Realität den Erfolg zu haben, der dieser Band gebührt.